Zitat von Marianne von Werefkin (1860 – 1938), Malerin
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Geschichten von Geburtstagen
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Heute, am 11. September im Jahr 1860, wurde Marianne von Werefkin geboren.
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Was liebte Marianne von Werefkin?
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Sicher eine starke Frau, zielgerichtet, strukturiert und selbstbewusst. Sicher die Beziehung zu Jawlensky voller Leidenschaft, gedeckelt und rational .
Ihre gebildeten Eltern, der Vater ein russischer Adeliger, die Mutter aus einer Kosakenfürstenfamilie, erkannten früh das Talent ihrer Tochter und sorgten für einen Rahmen, in der sich Marianne individuell und stark entfalten konnte. Nichts konnte das Mädchen aufhalten. Kein Schicksalsschlag. Bei der Jagd schoss sie sich versehentlich in die rechte Hand, das war ihre Malhand. Wie ist sie damit umgegangen? Man muss annehmen, nichts davon hat die Künstlerin zurückgeworfen; 1890 bekam sie einen wichtigen Werkpreis verliehen, der Zar sicherte der unverheirateten Frau eine großzügige Rente zu, man nannte die Künstlerin den russischen Rembrandt.
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Desweiteren hier nur die liebende, leidenschaftliche Frau. Darauf wird der Focus gelegt. Gelungen ist vielleicht eine sensible Annäherung. Dabei unumstößlich die große Verehrung der Künstlerin. Und auch Respekt, denn Marianne von Werefkin hat mit ihren Bildern und Aufzeichnungen ermöglicht, dass man so über sie schreiben kann.
Das Jahr 1892 notiert man als Beginn des Lebensbundes zwischen zwei herausragenden Künstlern. Sie und der ein paar Jahre jüngere Alexej Jawlensky tun sich zusammen.
Unmittelbar erkannte Marianne das Genie von Alexej und wollte ihn, den mittellosen Offizier, vielseitig fördern. D.h., sie bildete ihn aus, motivierte und unterstützte finanziell. Heute würde man sagen, sie machte ihn ganz schön abhängig. Will man noch salopp formulieren, das war doch ein Binden mit Zuckerbrot und Peitsche! Die Adlige wusste sicher ganz genau, wie es einen mit so einem Schürzenjäger ergehen kann. Aber dieser Mann wird zu ihrer Passion und seine Kunst, ihr Genie. Aber das verbiegt auf Dauer nicht nur die Frau, sondern auch den Mann, beide Menschen macht’s unglücklich. Aber wer trägt Schuld daran?
Mit dem Brei um den Mund Geschmiere macht man einen Menschen von sich abhängig. Vielleicht kann man auch behaupten, Marianne wollte mit dem Mann nur Friede, Freude und Eierkuchen teilen. Vielleicht dachte sie hier schlicht, alle Menschen sind käuflich, ein abhängiger Mann ist ein guter Mann, der muss einem Dankbarkeit zollen. Das geht gut, beherrscht er die Geste des liebenden Hundes und macht Wau-Wau.
Ganz sicher hat die von Werefkin darunter sehr gelitten. So anstrengend, mit einem Auge schaut man weg, das andere, ja, das sieht doch alles! Die Treuebrüche, die Tabubrüche, das voneinander Fremdwerden. Vielleicht hat sie mit der Zeit sein Tun, sein Lügen im Vorfeld schon geahnt? Gemeint ist hier seine Geschichte, der Missbrauch einer Neunjährigen, geschehen im gemeinsamen Lebensumfeld. Musste das passieren, ist das passiert, damit man sich trennen kann, nach 27 Jahren? Endlich!
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Und wir, was denken wir? So ein verzweigtes Leben, so viel immer möglich im Leben, so viele Seiten hat das Leben. Wir mit unserer Moral klamüsern auseinander, denken, bewerten, richten. Und dann? Ja, so hätte es sein können. Ja, genau so war es doch. Aber wir wissen auch, mit den inneren, komplizierten Menschen-Verzweigungen geht Leben gemeinsam wohl noch anders.
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Beiden Künstlern gebührt Respekt, beide groß, eigenwillig, ganz besonders. Beide, die Frau und der Mann, Marianne von Werefkin und Alexej Jawlensky!
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Kunstbände
Brigitte Roßbeck: Marianne von Werefkin
Ingrid Mössinger, Thomas Bauer-Friedrich (Hrsg.): Jawlensky