Geschichten von Festtagen
Zweiter Advent
Immer um diese Zeit
durfte ich auf den Kochstuhl meiner Oma.
Das war ein guter Platz,
um zuzuhören,
flinken Händen zu folgen.
Der Stuhl war ihr Thron.
Für mich bestens geeignet, ihr Zauberwerk zu würdigen, durfte ich mal auf ihm sitzen.
Das Tun meiner Oma hatte nichts mit Hokuspokus.
Die Zeit war aber so. Ja, der gesamte Alltag durchdrungen von Sinnlichkeit. Der Herd brodelte, die Backröhre schmurgelte. Das Drumherum stimmte: Ein weihnachtliches Gesteck lag auf der Fensterbank. Das Glas mit Bonbons – Gott sei Dank – immer gut bestückt und bereit für das Kind.
Trotzdem, der Duft in der Küche war kaum auszuhalten. Störend an meiner musischen Oma waren ihre feste Vorstellung von Erziehung. Ja, ihre demonstrierte Gottgefälligkeit, das Festgezurrte an ihrem Charakter, ihre moralisch beschnittene Nachsichtigkeit. In der Weihnachtsküche musste erst alles zur Melodie werden. Erst dann konnte das Divertimento in kleine Kostproben zerlegt werden. Dann kam noch ihr Zeigefinger. Mit den vielen armen Kinderlein auf der Welt musste geteilt, für das übrige Dankbarkeit gezeigt werden.
Das Geheimnis des Kindes:
Oma als Abklatsch für die Nase,
drückte sie das klapprige Kind, ihr Enkelkind, an die Brust.
Das kleine Mädchen verlangte immer viel davon.
Denn dann war das Leidige wie weggepustet.
Immer gab es auch einen kleinen Nachschlag. Und vielleicht noch einen, war ich besonders brav. Genau dafür liebte ich die Oma.
Meine Oma wird in dieser Zeit für mich immer sehr lebendig.
Ich will aber ehrlich sein, jedes Jahr um ihren Kochstuhl auch tüchtig schön herumgemodelt.
Wie von selbst entwickelt sich dann eine Oma mit Weihnachtsduft!
Aber unverändert und zeitlos ist das Erleben von Weihnachtsduft. Das ist eigentlich die ganze Geschichte!
Mit diesem Duft beginnt und endet jedes Jahr meine Weihnachtsgeschichte.
So halten es viele Menschen auf der Welt, wir alle teilen uns diese Geschichten voller Weihnachtshokuspokus.
Jeder Mensch liebt doch seine eigenen Geschichten mit den kleinen Abweichungen und Veränderungen. Jeder will seine eigene, individuelle Weihnachtsgeschichte. Und so viele Menschen haben als Anreiz dafür ihre ganz liebe Oma!
Daraus ist doch der Stoff von schönen Geschichten. Wie gut für uns!